Gerade aus dem Urlaub zurück, will ich euch erzählen, dass ich kurz vor Ostern reich beschenkt wurde.
Und zwar vom ‚Westmeer‘.
So nennen die Dänen nämlich die Nordsee.
Die spült bei Frühjahrsstürmen etwas an den Strand, das in der Sonne wunderbar glitzert und
glänzt und eigentlich nicht zu übersehen ist: Bernstein.
Ich wähle das Wort ‚eigentlich‘ mit Bedacht.
Denn Bernstein ist durchaus zu übersehen, und manchmal habe ich das Gefühl, er lässt sich gar nicht suchen, sondern nur finden.
In diesem Jahr hat er sich allerdings reichlich von mir finden lassen, nach fünf Jahren Pause:

Warum schreibe ich das?
Es hat für mich etwas mit Ostern zu tun und mit einem griechischen Wort:
Dieses Wort heißt Kairos.
Kairos ist der rechte Zeitpunkt.
Beim Bernsteinsuchen also nach einem Frühjahrssturm und bei Sonnenschein und möglichst,
wenn noch nicht viele Menschen am Strand waren.
Kairos ist eben aber auch dann, wenn meine Augen im rechten Moment auf die richtige Stelle
blicken: etwa unter den Seetang, der den Bernstein so gerne in sich birgt, oder neben den grö-
ßeren Stein, der nur so tut, als sei er Bernstein.
Kairos ist, wenn ich mich dann bücke, den Bernstein aufhebe, ihn vom Sand befreie, auf
meine Handfläche lege und ihn im Schein der Sonne betrachte.
Denn dann glitzert und glänzt er so wunderbar, als habe er alle Sonnenstrahlen in sich aufge-
nommen und gebe sie nun an mich weiter.
Ob ihr es mir glaubt oder nicht: mir hüpft dann jedes Mal mein Herz voller Freude, und ich
rufe aus:
„Wie schön!“
Aber was hat das mit Ostern zu tun?
Ihr ahnt es.
Auch an Ostern geht es darum, im rechten Moment auf die richtige Stelle zu blicken.
Also neben den großen Stein, der bereits vom Grab weggewälzt ist, und direkt auf den
Auferstandenen, der im Gewand des Lebens wie das Licht der Sonne leuchtet.
Und was hat es mit Hören zu tun?
An Ostern:
Dass ich auf mein Herz höre, wenn es beim Anblick des Auferstandenen voller Freude hüpft, und zur rechten Zeit ausrufe, was dann andere hören.
Nämlich: „Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“
Und beim Bernsteinsuchen?
Dass ich das Rauschen des ‚Westmeeres‘ höre, wenn ich den Bernstein noch einmal gegen die Sonne halte, um mich an seinem Glanz zu erfreuen.
Und dabei merke, dass dieses Rauschen für mich unabdingbar zum Bernsteinfinden dazu gehört.
Ich wünsche euch allen ein gesegnetes Osterfest!

Beate Gärtner, Schwerhörigenseelsorgerin