Ich bin ungeduldig.
Bei uns vorm Badezimmerfenster hängt ein Meisenkasten.
Anfang April fand sich dort ein Meisenpärchen ein.
Das Männchen zeigte dem Weibchen den Kasten, und es fütterte das Weibchen wieder
und wieder.
Dabei schlugen die beiden umeinander tanzend und werbend mit den Flügeln.
Dann begann der Nestbau:
Zweige und Moos und Federn und Gras wurden durch das kleine Loch in den Meisenkasten transportiert und dort abgelegt.
Dazu flogen die Meisen aus dem Loch und in das Loch und aus dem Loch und in das Loch …
… und dann geschah nichts mehr.
Oder besser gesagt: dann habe ich nichts mehr gesehen.
Einen Tag
lang, zwei Tage lang …
… die Meisen blieben verschwunden.
Hatten sie das Nest verlassen?
War es zu kalt gewesen?
Hatte der Wind die Eier zerstört?
Ich bin ungeduldig.
Ich konnte nicht mehr abwarten.
Und so schlich ich mich zu dem Meisenkasten, um vorsichtig durch das Loch zu spähen:

 

Ich sah nichts.
Alles dunkel.
Aber dann hörte ich das aufgeregte Schlagen von Flügeln.
Tatsächlich – ich hörte das!
Das war das Weibchen.
Die ihr Nest und ihr Gelege verteidigte.
Das hörte ich!
Also schnell weg vom Nest!
Die Meisen sind ja noch da.
Und sie brüten offensichtlich.
Aber ich kenne mich.
Ich bin ungeduldig.
Ich sehe mich schon das nächste Mal zum Meisenkasten schleichen…
… vielleicht höre ich dann das Fiepen der jungen Nestlinge …

Beate Gärtner, Schwerhörigenseelsorgerin